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Selbstversuch: Redakteurin packt beim DRK mit an

Ein Schuh hängt unten im Schutzanzug fest, ein paar Handschuhe habe ich mir schon übergestreift, die FFP2-Maske verdeckt Mund und Nase. „Bloß nichts kaputtmachen“, denke ich, als mein Balanceakt auf einem Bein mit Hilfe von DRK-Lehrrettungswachenleiter Andreas Weicker nach wenigen Sekunden funktioniert. Ich schließe den Reißverschluss bis unters Kinn. Selbst die Nähte sind zugeklebt. Das Coronavirus soll keine Chance bekommen, zu mir vorzudringen.

Und ganz ehrlich: Jetzt gerade kann ich mir auch gar nicht vorstellen, wie es das Virus schaffen könnte. Ich stehe in einer kleinen Garage in der Lagerstraße in Mannheim, dort werden alle Rettungswagen aus dem Kreisverband – also auch die aus Schwetzingen, Hockenheim oder Weinheim – nach dem Einsatz hingebracht. Die Wände sind gefliest, das Tor steht offen, immer kommt frische Luft in den Raum. Heute bin ich Teil des Desinfektionsteams des Deutschen Roten Kreuzes. Denn das Virus macht auch vor den Rettungskräften nicht halt. Schon beim Covid-Verdacht eines transportierten Patienten müssen die Fahrzeuge speziell desinfiziert werden. Schutzkleidung ist dabei absolute Pflicht. Als ich die Kapuze des Anzuges aufsetze, reicht mir Weicker eine Schutzbrille. Jetzt sind nur noch meine Augen zu sehen. Ein weiteres paar Handschuhe muss ich noch anziehen, um die freie Lücke zwischen dem Anzug an den Händen zu schließen. Es ist warm und meine Sicht ist extrem eingeschränkt. Ich suche nach Desinfektionsmitteln. Bis der Putzlappen schwimmt Regina Dölger und Jadrkanka Maljkovic haben nicht auf mich gewartet. Für sie ist das Prozedere bis zur eigentlichen Arbeit schon in Fleisch und Blut übergegangen. Ich steige zu ihnen in den Rettungswagen – und sehe mich fragend um. Weicker reicht mir einen großen Eimer mit speziellem Desinfektionsmittel. Darin schwimmen Putzlappen. Ich ziehe einen davon vorsichtig aus dem Wasser, er tropft und riecht streng nach Alkohol. „Du wischst jetzt einen Quadratmeter damit ab, dann klappst du ihn um – danach kommt er weg“, erklärt Weicker und zeigt auf einen großen Mülleimer. Es erinnert mich ans Badputzen, nur sind die Flächen im Wageninneren klatschnass, nachdem ich mit dem Lappen über sie gewischt habe. Jeder Zentimeter muss gereinigt werden – und zwar mit der Hand. Decke, Wand, Schränke – alles was die Rettungssanitäter während ihres Einsatzes angefasst haben. „Es reicht nicht, wenn wir den Wagen einfach nur einsprühen“, sagt Weicker. „Bei der Scheuer- und Wischdesinfektion wird die Eiweißhülle des Virus durch das Scheuern nämlich auch mechanisch zerstört.“ Die Medizinprodukte darf ich nicht anfassen. Dafür hilft Rettungssanitäter Eike Fischer mit. Nur mit einer geeigneten Ausbildung dürfen die hochsensiblen Geräte wie EKG, Defibrillator und Beatmungsgerät gereinigt werden. „Es sind immer zwei in einem Team – und es gibt zwei Schichten. Von 7 bis 15 und 15 bis 23 Uhr“, sagt Weicker und fügt hinzu: „Vier Mitarbeiter sind hauptamtlich hier und dann noch etwa sieben aus dem Ehrenamt. Die Freiwilligen beim DRK werden dort eingesetzt, wo sie benötigt werden. Beispielsweise mit der passenden Ausbildung auch im Impfzentrum. Bei den Desinfektionsteams brauchen die Freiwilligen das nicht, sie müssen nur nach dem Infektionsschutzgesetz eingewiesen werden.“ Schon in der ersten Welle im Frühjahr hatte das Rote Kreuz die Arbeitsabläufe verändert. Rettungsdienstleiter Andreas Schott erklärt: „Die pandemische Lage begleitet den Rettungsdienst seit dem Frühjahr 2020 und hat, nicht zuletzt wegen der umfangreichen Hygienemaßnahmen, direkten Einfluss auf die Einsatzabläufe.“ Neben der Anpassung der Notrufabfrage hinsichtlich Covid-Symptomen durch die Leitstellen in Ladenburg und Mannheim wurden umfangreiche Hygienemaßnahmen zum Schutz der Mitarbeiter und des Betriebes ergriffen. Der Rettungsdienst, per Definition eine sogenannte kritische und somit besonders schützenswerte Infrastruktur im Gesundheitswesen, müsse die Betriebs- und Leistungsfähigkeit unbedingt erhalten. „Die Covid-Erkrankungen und Verdachtsfälle erfordern eine besondere Desinfektion der Rettungsmittel. Die verstärkt anfallenden Desinfektionsmaßnahmen führen dazu, dass die Rettungs- und Krankenwagen während der Aufbereitung der Fahrzeuge nicht für Einsätze zur Verfügung stehen. Die einzige Möglichkeit hier eine Verbesserung zu erzielen, ist, die Desinfektionsmaßnahmen zeitlich zu optimieren. So hat das DRK beispielsweise Desinfektionsmittel mit Einwirkzeiten, je nach Erreger, zwischen fünf und 15 Minuten im Einsatz. Bis ein kompletter Rettungswagen oder Krankenwagen desinfiziert ist, vergehen normalerweise 60 bis 90 Minuten“, sagt Schott. Diese Zeiten wurden durch die Unterstützung des Ehrenamtes und der Einstellung von mehr Personal auf 30 bis 40 Minuten verkürzt. Die pandemische Lage ist dynamisch. Alle Akteure im Gesundheitswesen sind darauf angewiesen, sich an die Erfordernisse anzupassen. Eine enorme Herausforderung, die die Verantwortlichen täglich stemmen. Nach 15 Minuten erschöpft Ich kann schon nach etwa 15 Minuten aus dem Krankenwagen steigen. Der Geruch von Desinfektionsmittel liegt in der Luft. Das merke ich aber erst, als ich wieder aus dem Schutzanzug schlüpfe. Auch meine FFP2-Maske muss nämlich gewechselt werden. Überall könnten Viren haften. Für wenige Sekunden kriecht mir der Alkoholdunst in die Nase. Meine Haare auf dem Unterarm stellen sich auf. Für Regina Dölger und Jadrkanka Maljkovic ist das Alltag. Sie werfen ihren Anzug und die Handschuhe in den Mülleimer. Bei mir haben sich Schweißperlen auf der Stirn gebildet. Für ein paar Sekunden lege ich meinen Kopf in den Nacken, es knackst. In den vergangenen Minuten war er durch Brille, Kapuze und Maske starr nach vorne ausgerichtet. Jetzt bin ich müde. Erschöpft, nach 15 Minuten putzen.
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© J. Hardung Schwetzinger Zeitung , Mittwoch, 25.02.2021 Darauf muss das Deutsche Rote Kreuz achten Der Rettungsdienst, per Definition eine sogenannte kritische und somit besonders schützenswerte Infrastruktur im Gesundheitswesen, muss die Betriebs- und Leistungsfähigkeit unbedingt erhalten. Die Covid-Erkrankungen und Verdachtsfälle erfordern eine besondere Desinfektion der Rettungsmittel. Die verstärkt anfallenden Desinfektionsmaßnahmen führen dazu, dass die Rettungswagen während der Aufbereitung der Fahrzeuge nicht für Einsätze zur Verfügung stehen. So hat das DRK beispielsweise Desinfektionsmittel mit Einwirkzeiten, je nach Erreger, zwischen fünf und 15 Minuten im Einsatz. Bis ein ganzer Rettungs- oder Krankenwagen desinfiziert ist, vergehen im Schnitt 60 bis 90 Minuten. Das DRK hat diese Zeit nun durch mehr Personal auf 30 bis 40 Minuten verkürzt. Allein im Rettungsdienstbereich (RDB) Mannheim fielen über alle Organisationen zwischen dem 1. und 28. Januar insgesamt 157 Desinfektionen von Rettungswagen und 259 Desinfektionen von Krankenwagen an.