Sie wurden gemeinsam abgegeben, in einer großen Plastiktüte: fünf Herrenpullover. Sorgfältig gefaltet und übereinandergestapelt liegen sie vor Anna Roth auf dem Verkaufstisch im Second-Hand-Laden des Deutschen Roten Kreuzes (DRK). In der Tüte war auch noch eine lilafarbene Mütze, an der noch das Preisschild hängt. „Ein Fehlkauf“, vermutet Roth. Weil die Verkäuferinnen im Second-Hand-Laden in der Weinheimer Hauptstraße aber so gut wie alle Spenden weiterverwerten, zählt jetzt auch die lilafarbene Mütze zum Bestand – ganz nach der Devise: Es wird für alles ein Zweck gefunden.
Anna Roth entfaltet die Pullis und begutachtet sie: Auf den Etiketten stehen die Namen von angesehenen Kleidermarken. Die Pullis haben keine Löcher, sind noch gut in Schuss. Man kann sie bedenkenlos weiterverkaufen und tragen. Nur den grauen Pullover will die Verkäuferin noch einmal waschen. Den Fleck am Ärmel kriegt sie sicherlich noch raus. „Der Pulli ist mir einfach zu schade, um ihn in den Sack zu geben.“
Damit meint Roth den blauen Sack, der im Hinterzimmer an der Wand lehnt, und wo ihre Kollegin Diana Lippert gerade Blusen bügelt. Der Sack wird direkt der Altkleiderverwertung zugeführt. Darum will Anna Roth dem grauen Pulli noch eine zweite Chance geben – damit er verkauft wird und nicht gleich als Putzlappen oder Fußmatte endet. Denn das blüht den Kleidern, die nicht mehr getragen werden können. Nicht mehr tragbare Kleidung wird in dem Weinheimer Laden oder den DRK-Kleiderkammern allerdings selten abgegeben. Schließlich wenden sich die Spender gezielt an diese Anlaufstellen. Ihre Beweggründe: Sie wollen mit den Sachen sozial benachteiligte Menschen unterstützen oder zum Umweltschutz beitragen. Wollen, dass die Kleidung weiter getragen wird.
Das möchten auch jene, die ihre Kleidung in einem Altkleidercontainer entsorgen. Den Großteil der Altkleidermengen, die dort abgeben werden, machen jedoch sehr abgenutzte und nicht mehr tragbare Sachen aus. Das hat Entsorgungscharakter, sagt Boris Rensland, der Leiter des Service Ehrenamt des DRKKreisverbandes Mannheim. In den Sammelcontainern, die bis zu 300 Kilo fassen, lande deutlich mehr Kleidung, mit der man letztlich „schon abgeschlossen“ habe. Das geht so weit, dass sogar Sperrmüll und Hausmüll in den Containern landet, der dann vom DRK entsorgt werden muss.
Komplexer Weg
Prinzipiell ist der Weg der Altkleidervermarktung komplex und mitunter auch lang (siehe Grafik), je nachdem, wo die getragenen Textilien abgegeben werden und in welchem Zustand sie sich befinden. Was im Weinheimer Second-Hand-Laden landet, wird zunächst per Hand sortiert, sorgfältig gemustert und – wenn es denn verkauft wird – liebevoll im Laden drapiert. Der Weinheimer Laden zeichnet sich durch einen gewissen Boutique-Charakter aus – er ist ansprechend und übersichtlich hergerichtet, geradezu adrett. Die Verkäuferinnen hätten nun mal einen großen Anspruch an das Verkaufsbild, sagt Ladenleiter Hubert Mitsch: „Sie stecken da sehr viel Herzblut rein. Den Second-Hand-Laden nennen wir darum, den etwas anderen Kleiderladen‘.
Dort warten jetzt auch die Herrenpullis auf einen Käufer. Sie kommen recht gelegen, denn der Großteil der Ware – 60 Prozent – sind Frauen-Artikel. Fünf Prozent entfallen auf Accessoires, Schuhe, Geschirr, Lampen und Haushaltsmöbel. Die Preise sind erschwinglich: Sakkos für sieben Euro, Hemden für sechs, Hosen für fünf Euro. Der Stückpreis berechnet sich nach Kriterien wie etwa der Textilart oder dem Hersteller. Vom Umsatz werden die Miete für den Laden, Betriebs- und Personalkosten bezahlt, Überschüsse fließen in die Finanzierung der DRK-Tafeln im Rhein-Neckar-Kreis und Mannheim. Auf bundesweiter Ebene fließt der Erlös in ehrenamtliche Projekte wie beispielsweise in den Katastrophenschutz, das Jugendrotkreuz oder die Altenhilfe.
Doch was geschieht mit den Herrenpullis, wenn sie im Weinheimer Second-Hand-Laden nicht verkauft werden? Nach einer angemessenen Zeitspanne oder zu Saisonende werden sie an einen anderen Second-Hand-Laden weitergegeben. Werden sie auch dort nicht verkauft, geht es – so im Falle des Rhein-Neckar-Kreises – weiter an den Second-Hand-Laden in der Neckarstadt. Immer noch unverkauft werden sie schließlich dem „Verwertermodell“ zugeführt.
Anders ergeht es den Altkleidern, die in den Sammelcontainern landen. Sie werden einmal wöchentlich von der AVR Kommunal geleert und zu Sammelplätzen, etwa nach Sinsheim, gebracht. Dort werden sie für den Weitertransport in die großen Sortierwerke gesammelt. Brauchbares geht an jene Handelsbetriebe, die die Vermarktung der Alttextilien übernehmen, und diese entweder für den Katastrophenschutz zurückhalten oder in andere Länder exportieren.
Lukratives Geschäft
Es ist kein Geheimnis, dass die Vermarktung von Altkleidern doch vor allem eines ist: Business. Ein großer Markt, auf dem sich gewerbliche, gemeinnützige und öffentlichrechtliche Akteure bewegen, aber auch illegale Sammelunternehmen, die ihre zum Teil dubios beschrifteten Container aufstellen, hochwertige Textilien ins Ausland verkaufen und alles andere entsorgen – teilweise sogar auf den Straßen. Die Zweifel, ob die Altkleiderspenden wirklich in bedürftigen Ländern ankommen, sind daher nicht unbegründet.
Das DRK als karitative Einrichtung gilt jedoch als seriös, schon allein deshalb, weil sich der Recycling- Kreislauf nachvollziehen lässt und die Organisation auf viel Transparenz setzt. Die Stadt Weinheim arbeitet ausschließlich mit dem DRK zusammen. Im öffentlichen Raum Weinheims dürfen deshalb auch nur Altkleidercontainer des DRK stehen. Auf privat vermieteten Grundstücken in der Region können hingegen Container wie zum Beispiel von der Schweizer Firma Texaid stehen.
Als diese Ende Juli in Weinheim und Gorxheimertal lange Zeit – vermutlich aus Personalmangel – nicht geleert wurden, blieb daher auch nichts übrig, als dass der Gemeindevollzugsdienst die Firma aufforderte, die Altkleider zeitnah einzusammeln. Ein weiterer Punkt von Kritikern: Der Export von Altkleidern nach Afrika zerstöre die dortige Textilindustrie, wenngleich Afrika vielmehr als Rohstofflieferant denn als - produzent gelte, sagt Boris Rensland.
Das DRK selbst habe nur wenig Einfluss auf die Vermarktung in den Entwicklungsländern. Letztlich sehe sich die AVR damit beauftragt, auf die Firmenphilosophie der Handelspartner zu achten.
© Weinheimer Nachrichten (Artikel: Linda Möllers / Bild: Fritz Kopetzky / Grafik: WNOZ